Beurteilung von Alleinarbeit
Die Entscheidung, unter welchen Bedingungen Alleinarbeit zulässig ist, hängt von drei Faktoren ab: Gefährdung, Unfallwahrscheinlichkeit und Erste-Hilfe-Möglichkeiten.
Die DGUV Regel 100-001 „Grundsätze der Prävention“ definiert Alleinarbeit wie folgt: „Alleinarbeit liegt vor, wenn eine Person allein, außerhalb von Ruf- und Sichtweite zu anderen Personen, Arbeiten ausführt.“ Somit können jegliche Arbeiten mit Abwesenheit anderer Personen als Alleinarbeit bezeichnet werden. Sie ist grundsätzlich erlaubt, sofern nicht staatliche Vorschriften oder solche vonseiten der Unfallversicherungsträger eine Alleinarbeit untersagen.
Für Sie als Fachkraft für Arbeitssicherheit bedeutet das: Ob und inwieweit Maßnahmen bei einer Alleinarbeit ergriffen werden müssen, bestimmt die Gefährdungsermittlung und die damit verbundene Beurteilung der Arbeitsbedingungen. Wichtig zu wissen: Betrachtet werden nur die Gefährdungen, die mit der Tätigkeit in Zusammenhang stehen. Individuelle Risikofaktoren, etwa der Gesundheitszustand der beschäftigten Person, fließen nicht in die Bewertung ein.
Schritt 1: Gefährdungsstufen bestimmen
Im ersten Schritt wird anhand der Gefährdungsfaktoren ermittelt, welche Gefährdungsstufe im konkreten Fall vorliegt. Hier wird zwischen drei Stufen unterschieden.
- Gering: Es ist mit geringen Verletzungen oder geringen akuten Beeinträchtigungen der Gesundheit zu rechnen. Im Notfall bleibt die Person handlungsfähig.
- Erhöht: Es ist mit erheblichen Verletzungen oder erheblichen akuten Beeinträchtigungen der Gesundheit zu rechnen. Im Notfall bleibt die Person eingeschränkt handlungsfähig.
- Kritisch: Es ist mit schweren Verletzungen oder besonders schweren akuten Beeinträchtigungen der Gesundheit zu rechnen. Im Notfall ist die Person nicht mehr handlungsfähig.
Diese Gefährdungsstufen werden zur Konkretisierung mit Punktwerten (Gefährdungsziffern GZ) versehen: die geringe Gefährdungsstufe mit GZ 1–3, die erhöhte Gefährdungsstufe mit GZ 4–6 und die kritische Gefährdungsstufe mit GZ 7–10.
Schritt 2: Wahrscheinlichkeit bewerten
Im nächsten Schritt ist zu ermitteln, wie hoch die Wahrscheinlichkeit überhaupt ist, dass ein Notfall auftritt. Auch hier gibt es drei Stufen.
- Gering: Grundsätzlich sind keine Notfälle zu erwarten, Notfälle sind bisher kaum aufgetreten oder vorstellbar.
- Mäßig: Erfahrungsgemäß kann es zu Notfällen kommen, bei gleichartigen Arbeitsbedingungen sind sie gelegentlich aufgetreten.
- Hoch: Unter normalen Umständen ist mit Notfällen zu rechnen, bei gleichartigen Arbeitsbedingungen sind Notfälle wiederholt aufgetreten.
Durch die Zuordnung eines Wertebereichs (NW) werden auch die Notfallwahrscheinlichkeiten noch konkretisiert, und zwar wie folgt: geringe Notfallwahrscheinlichkeit NW 1–3, mäßige Notfallwahrscheinlichkeit NW 4–6 und hohe Notfallwahrscheinlichkeit NW 7–10.
Schritt 3: Reaktionszeit bestimmen
Abschließend muss für die Beurteilung des Risikos die Zeit zwischen Alarmierung des Personenalarms und dem Beginn der Hilfsmaßnahmen vor Ort bestimmt werden.
- Kurz: weniger als 5 Minuten – Bewertungsziffer (EV) 0
- Mittel: 5 bis 10 Minuten – Bewertungsziffer (EV) 1
- Lang: 10 bis 15 Minuten – Bewertungsziffer (EV) 2
Formel zur Berechnung des Risikos
Das Risiko einer Alleinarbeit kann anhand der ermittelten Werte – Gefährdungsstufe, Notfallwahrscheinlichkeit und Reaktionszeit – mit der Formel R = (GZ + EV) × NW berechnet werden. Bei einem berechneten Wert von unter 30 ist das vorhandene Risiko als akzeptabel zu bewerten. Liegt der Wert jedoch über 30, sind zusätzliche technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen. Ohne diese Risikoreduzierung ist die Alleinarbeit unzulässig.
Schlussfolgerungen
Bei einer geringen Gefährdungsstufe ist die Überwachung des Einzelarbeitsplatzes grundsätzlich nicht notwendig. Bei einer erhöhten Gefährdungsstufe hingegen ist die Überwachung erforderlich, sobald die Notfallwahrscheinlichkeit als gering oder mäßig definiert wird. Maßnahmen sind zum Beispiel Kontrollgänge oder Kontrollanrufe.
Das Risiko einer Alleinarbeit lässt sich berechnen.
Eine kritische Gefährdungsstufe verlangt die ständige Überwachung des Arbeitsplatzes. Das Arbeiten mit zwei Personen, der Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen oder eine Video-Einrichtung im Dauerbetrieb sind mögliche Maßnahmen. Wird eine kritische Gefährdungsstufe gar in Verbindung mit einer hohen Unfallwahrscheinlichkeit ermittelt, ist Alleinarbeit nicht erlaubt.
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