Gerüstet für Hochwasser und Waldbrand
Es ist keine sehr gewagte These: Krisensituationen aufgrund des Klimawandels werden in Zukunft zunehmen. Rettungsorganisationen stellen sich darauf ein. Die Feuerwehr des niedersächsischen Landkreises Northeim zum Beispiel sieht sich für zwei ganz typische Katastrophenszenarien gut gewappnet: Hochwasserlagen und Waldbrände.
Weihnachten im Jahr 2023. Über Deutschland rieselte nicht leise der Schnee. Stattdessen regnete es. So ergiebig, langanhaltend und manchmal stark, dass sich in weiten Teilen des Landes Hochwasserlagen ankündigten. Insbesondere im Norden drohten Flutkatastrophen. Der Landkreis Northeim bildete keine Ausnahme. Das Wasser der Leine und ihrer Nebenflüsse – vor allem der Rhume – drängte mit Macht über die Ufer.
Dank einer klugen Strategie, durch die Zusammenarbeit mit anderen Hilfs- und Rettungsorganisationen sowie mit Geschick und auch mit etwas Glück gelang es der Kreisfeuerwehr Northeim, das Schlimmste zu verhindern.
Etwa 1.200 Helfer – fast alle ehrenamtlich – waren für die 130.000 Einwohner in den elf Kommunen des Landkreises unermüdlich im Einsatz, statt die Feiertage gemütlich im Kreise ihrer Liebsten zu verbringen. Der Lohn: „Die Lage war angespannt, aber nicht kritisch“, sagt Kreisbrandmeister Marko de Klein.
Vor allem schleppten und stapelten die Einsatzkräfte Sandsäcke – immer noch das probateste Mittel gegen Überflutungen. Mit ihnen lassen sich Deiche verstärken und Gebäude schützen. Allerdings: Dafür muss man rechtzeitig wissen, dass eine Katastrophe droht. Die Kreisfeuerwehr Northeim sammelte Informationen aus vielen verschiedenen Quellen, rief Wetterdaten und Pegelstände auf. Dadurch zeichnete sich für die Einsatzkräfte schon im Oktober recht deutlich ab, dass in der Weihnachtszeit ein Hochwasser drohen könnte.
Ein Rädchen greift ins andere
Erst im August 2023 hatte die Kreisfeuerwehr ein Hochwasser-Konzept erarbeitet. Als es so weit war, griff ein Rädchen des lokalen Katastrophenschutzes ins andere: in puncto Kommunikation zum Beispiel die Warnung der Bevölkerung mit modernen Mitteln wie Warn-Apps oder über Social-Media-Kanäle. In puncto Organisation war die Logistik rund um das Befüllen der Sandsäcke von entscheidender Bedeutung.

„Wir haben schon Tage vor dem Hochwasser die Füllmaschine
am städtischen Bauhof in Einbeck aufgestellt“, sagt Marko de Klein.
Dort gab es genügend Sandsäcke, Sand und eine gute Infrastruktur.
Hier war niemand schlecht vorbereitet“, betont der Kreisbrandmeister.
In Sechs-Stunden-Schichten befüllten ehrenamtliche Helfer Sandsäcke, insgesamt 28.000 Stück. Ein echter Knochenjob, ein gefüllter Sandsack wiegt 20 Kilogramm. Anschließend mussten die Hochwasserbarrieren in Transportfahrzeuge verladen und an den Einsatzorten verbaut werden.
Große Flutkatastrophe abgewendet
Einen Dammbruch konnten letztlich auch die Sandsäcke nicht verhindern. Hier kam dann das Glück der Tüchtigen ins Spiel. Denn der Damm brach an einer „günstigen“ Stelle, sodass das Wasser keine Ortschaften überflutete, sondern in einen Freizeitsee floss. Bilanz: zwei beschädigte Gasleitungen, einige vollgelaufene Keller und überflutete Straße sowie eine Ortschaft, die zwischenzeitlich von der Außenwelt abgeschnitten war. Die ganz große Katastrophe wie im Sommer 2021 im Ahrtal oder 2024 zunächst im Saarland und dann in Teilen Bayerns und Baden-Württembergs war ausgeblieben.
Für die Rettungskräfte selbst ist die offensichtlichste Gefahr beim Hochwassereinsatz das Ertrinken. „Gerade beim Bau von Deichen an Fließgewässern muss man darauf achten, dass die Einsatzkräfte nicht abrutschen“, sagt Jan-Eric Loy, der Sicherheitsbeauftragte der Kreisfeuerwehrbereitschaft 1.
Maßnahmen: Schwimmwesten anziehen, angurten und mit Leinen sichern. „Ich weiß aber zum Beispiel auch nicht, was im Wasser schwimmt. Mit Tierkadavern, Öl oder Fäkalien will ich natürlich nicht in Berührung kommen.“ Einsätze in vollgelaufenen Kellern bergen wiederum die Gefahr von Stromschlägen oder mit Gefahrstoffen in Kontakt zu kommen, die die Besitzer dort gelagert hatten.

Andere PSA als bei Wohnungsbrand
Bei Waldbränden sind die Gefährdungen ganz andere. Die Flammen gehören in der Regel im Gegensatz zu Haus- und Wohnungsbränden nicht dazu. Hitzebeständige Schutzhandschuhe sind im Wald unnötig. Das gilt auch für Atemschutzgeräte, da es genügend Umgebungsluft gibt. „Wer mit einer mehrlagigen Bekleidung, wie sie Atemschutzgeräteträger etwa bei Hausbränden nutzen, in den Wald geht, hält keine halbe Stunde durch“, veranschaulicht Loy. „Stattdessen brauche ich einlagige Bekleidung und leichte, luftdurchlässige Schutzausrüstung.“

Neben „Witwenmachern“, äußerlich unversehrten, aber im Inneren schon ausgebrannten Bäumen, die unvermittelt umstürzen können, sind Hitze und Rauch die größten Gefährdungen im Einsatz. Als Teil der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) ist textiler Atemschutz – zum Beispiel Gesichtstücher, in die sich FFP2- oder FFP3-Masken einbauen lassen – völlig ausreichend.
Alle Hautpartien müssen jedoch komplett bedeckt sein. Dicht schließende Korbbrillen haben gegenüber Helmvisieren den Vorteil, dass sich darunter keine Gase sammeln und keine Funken oder Gegenstände ins Auge geraten können.
Nach der Unterweisung im richtigen Umgang mit der PSA ist jeder Feuerwehrmann und jede Feuerwehrfrau selbst für die eigene Bekleidung zuständig. „Wenn Defekte daran sind, kann man bei der Kleidungskammer in Einbeck eine neue Garnitur bekommen“, sagt Loy. Auch nach jedem Einsatz wird die Kleidung dort ausgetauscht. Kontaminierte Kleidung wird in einer Spezialwäscherei gereinigt.

Spezialisten für Waldbrandbekämpfung ausgebildet
1.300 Einsatzkräfte hat die Kreisfeuerwehr Northeim in den vergangenen drei Jahren in der Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung ausgebildet und im richtigen Umgang mit den entsprechenden Werkzeugen geschult. Die heißen Wiedehopfhaue, Feuerpatsche, Pionierschaufel oder auch – benannt nach ihren Erfindern – McLeod- und Gorgui-Tool.
Mit ihnen lassen sich tief hängende Äste („Feuerbrücken“) abtrennen, Brandschneisen ziehen und Glutnester am Boden freilegen und ersticken. Auch ein Löschrucksack ist für jeden Trupp obligatorisch.
Arbeitsschutzprinzipien
Ob Hochwasser, Waldbrand oder Gebäudebrand – bei vielen ihrer Einsätze begeben sich Feuerwehrleute in Gefahr. Klassische Arbeitsschutzprinzipien wie das TOP-Prinzip (technische vor organisatorischen vor personenbezogenen Maßnahmen), das Arbeitnehmer in Unternehmen schützen soll, gelten für sie deshalb nicht oder nur eingeschränkt.
„Wir müssen manchmal Grenzen überschreiten, aber das muss immer mit Augenmaß geschehen“, sagt Marko de Klein.
„Dafür brauchen wir geschulte Leute.“ Die Unfallversicherungsträger der Feuerwehren und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) würden diesbezüglich aber gute Arbeit leisten und praxisnahe Fortbildungen anbieten, lobt der Kreisbrandmeister.
Als zusätzliches Hilfsmittel hat die Feuerwehr ein UTV angeschafft, ein Utility Task Vehicle. Dabei handelt es sich um ein geschlossenes Quad mit Allradantrieb. „Damit können wir Material über längere Wegstrecken in unwegsames Gelände bringen
oder auch Personen retten“, erklärt Oberbrandmeister Florian Koch.


Mehr Totholz durch den Klimawandel
Die Gefahr für Waldbrände ist durch immer trockener und heißer werdende Sommer größer geworden. Zumal dadurch auch die Borkenkäfer-Plage zunimmt. Das Resultat: mehr Totholz. Und das ist leicht entzündlich, typisches Brennholz. Sind die Flammen dann mitten im Wald, nützt kein UTV und erst recht kein großes Löschfahrzeug. Dann helfen nur noch Löschflugzeuge oder -hubschrauber. Bei Bodenfeuern bis zu einem halben Meter Höhe oder bei Nachlöscharbeiten rückt der Feuerwehr-Trupp zu Fuß vor und bekämpft die Flammen.
Über die Strategie und die Gefährdungslage entscheiden drei Faktoren: das Wetter (Temperatur? Sonne? Regen? Wind?), die Topografie (flaches Gelände oder Hanglage?) und die Vegetation (landwirtschaftliches Feld oder Wald? Mischwald oder leicht entzündlicher Nadelwald?). Das Ziel besteht darin, dass sich das Bodenfeuer nicht über tief hängende Äste, sogenannte Feuerbrücken, zu einem Vollfeuer ausbreitet. „Dann hat man als Feuerwehr verloren“, sagt Florian Koch.
Nachlöscharbeiten sind zeitintensiv
Löscharbeiten im Wald dauern lange, vor allem die Nachlöscharbeiten. So auch beim verheerenden Waldbrand in der Sächsischen Schweiz vor drei Jahren. Mehr als 115 Hektar Wald – das entspricht einer Fläche von mehr als 160 Fußballfeldern – hatte das Feuer zerstört.
30 der spezialisierten Feuerwehrleute aus Northeim unterstützten damals ihre dortigen Kameraden bei den Nachlöscharbeiten. Vier Tage lang waren die Niedersachsen damit beschäftigt, mussten täglich eine Stunde marschieren, um zum Einsatzgebiet zu kommen. Es galt, alle Glutnester im Waldboden aufzudecken und sorgfältig zu löschen.
Ansonsten hätten Windstöße das Feuer wieder entfachen können. Eine anstrengende, mühsame Arbeit. Aber die Northeimer waren erfolgreich. Wie auch beim Weihnachtshochwasser 2023.
Die Beispiele zeigen: Den Klimawandel kann die Feuerwehr zwar nicht aufhalten. Aber sie kann Maßnahmen ergreifen, um die Symptome zu bekämpfen und die Schäden zu begrenzen.

Bildnachweis:
Alle Fotos: Dominik Buschardt und Kreisfeuerwehr Northeim