Lernen als Erlebnis – Wie Virtual Reality den Arbeitsschutz verbessert
Digitale und technologieunterstützte Lernprogramme sind im Arbeits- und Gesundheitsschutz schon heute Realität. In Zukunft wird noch weit mehr möglich sein. Das Lernen wird zu einem Erlebnis. Zum Beispiel mit dem Einsatz von Virtual Reality.
Unternehmen müssen in neueste Technik investieren, um im Wettbewerb bestehen zu können. So werden etwa in modernen Industrieunternehmen die Produktionsanlagen im Hinblick auf den Funktionsumfang, die Steuerung und auch die Sicherheitstechnik zunehmend komplexer. Das erfordert ein hohes Abstraktionsvermögen aller Prozessbeteiligten, um die Folgen ihres Tuns richtig einschätzen zu können.
Innovative Trainingsmethoden
Dass dies nicht immer gelingt, zeigen entsprechende Arbeitsunfälle. Die neuen Technologien bedeuten außerdem, dass die Anforderungen an den Arbeitsschutz steigen. Für alle am Prozess Beteiligten ist es deshalb notwendig, intensiver geschult zu werden. Wie können wir dies erreichen? Neue, innovative Trainingsmethoden und Darstellungsformen helfen dabei, dem stetig steigenden Informations- und Schulungsbedarf mit einer effektiveren Wissensvermittlung zu begegnen.
Die Auswahl der richtigen Methode
Wenn Lernmedien erstellt werden, muss man immer das Thema und das Ziel im Auge behalten. Im Arbeits- und Gesundheitsschutz ist die geeignete Methodenwahl komplex. Das Beispiel Lärm ist noch recht einfach: Wenn es laut ist, setze den Gehörschutz auf, sonst nimmt dein Gehör Schaden! Aber andere Gefährdungen liegen oft im Verborgenen und sind nicht so offensichtlich. Das ist bei chemischen Prozessen und beim Umgang mit Gefahrstoffen oft der Fall. Deutlich wird dies etwa beim Umfüllen brennbarer Stoffe. Hier gilt es, eine Vielzahl an Dingen zu beachten, von denen einige sehr große und gefährliche Wirkungen haben (z. B. ungeeignete Schutzkleidung, spezielle Arbeitsmittel, Elektrostatik, Zündquellen).
Möchten Sie das in der Realität mit all den Fehlermöglichkeiten lernen? Natürlich nicht. Mit einem normalen textbasierten E-Learning-Programm und den üblichen verschiedenen Antwortmöglichkeiten kommt man hier auch nicht weiter, zumindest nicht nachhaltig.
Virtual Reality – Eintauchen in den Prozess
Eine der interessantesten und für den Lerntransfer wirkungsvollsten Möglichkeiten ist dabei der Einsatz von künstlichen, im Rechner erzeugten Welten. Diese werden als „Virtuelle Realität“ (VR) bezeichnet. Das bekannteste Beispiel ist in diesem Zusammenhang der Flugsimulator. Wie viele Flugunfälle würden drohen, wenn der Pilot nur in einem echten Flugzeug üben und trainieren könnte?
Eine Arbeitswelt im Wandel erfordert neue Methoden der Wissensvermittlung
Die Darstellung und Wahrnehmung von in Echtzeit computergenerierten, dreidimensionalen Räumen und darin befindlichen Objekten mit all ihren physikalischen Eigenschaften sind der Kern von VR. Ein realitätsnahes Erleben ergibt sich hauptsächlich aus den visuellen Eindrücken und den Handlungsmöglichkeiten im virtuellen Raum.
Die Lernfabrik der BG RCI
Aufgrund spezieller Unfälle entwickelte die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) das Training „Umfüllen brennbarer Flüssigkeiten“. Um die vielfältigen und voneinander abhängigen Vorgänge besser zu verstehen und erfolgreich zu trainieren, findet es deshalb in einer virtuellen 3D-Welt statt. Was 2009 als ein Szenario begann, ist mittlerweile Bestandteil einer größeren virtuellen Fabrik mit verschiedensten Anwendungen.
Um nachhaltige Fähigkeiten zu entwickeln, gibt es sechs didaktische Schritte in den virtuellen Anwendungen. Zum interaktiven Training gehören das Sammeln von Informationen, das Planen von Aktionen, das Treffen von Entscheidungen und das daraus resultierende Handeln, bestehend aus Durchführung, Kontrolle und anschließender Reflexion.

Nicht geschafft? Zum Glück war es nur eine virtuelle Explosion. Das Programm motiviert zum Dranbleiben – bis es klappt. Foto: © BG RCI
Künstliche Intelligenz hilft
Aktuell ist eine wissensbasierte Künstliche Intelligenz (KI) in Entwicklung, die die Trainierenden aus eigener Kraft in unseren Anwendungen zum Ziel führt und weit über das zum Teil bekannte adaptive Lernen hinausgeht. Wenn die Nutzer der virtuellen Lernfabrik Aufgaben lösen, dann zögern sie vielleicht unbemerkt an der einen oder anderen Stelle, weil sie etwas nicht verstanden haben oder nicht gleich wissen, wie sie sich entscheiden sollen. Das merkt das System in Echtzeit und gibt eine passende Hilfestellung – je nach didaktischer Anforderung. Das können simple sprachliche Hinweise sein, visuelle Unterstützung oder erscheinende Avatare. Reicht die Hilfe noch nicht aus, geht der Nutzer im Lernszenario auf Zeitreise.
Verbesserte Prävention dank Zeitreisen
Wie wäre es, wenn man nach einem erfolglosen Training nicht von vorne anfangen müsste, sondern dort einsteigen könnte, wo man den Fehler vermutet hat? Hier wird die KI im Hintergrund mit weiteren Elementen arbeiten. Das ist zum einen die Time-Travel-Engine (also die Zeitreisemaschine) und zum anderen die Storyboard-Interpretation-Engine. Die Trainierenden haben dadurch die Möglichkeit, die Aufgabe aus eigener Kraft zu lösen. Das ist ein bedeutender Unterschied, denn üblicherweise muss man bei Fehlern die Aufgabe von vorne beginnen. Das führt zu Unzufriedenheit. Durch die Wiedereinstiegsmöglichkeiten über einen Zeittunnel werden die Fehler schneller selbst gefunden.
Durch die Option zum Wiedereinstieg werden Fehler schneller gefunden

Gut für die Lernenden: Ein Zeittunnel macht den Wiedereinstieg genau an der Stelle möglich, wo ein Fehler passiert ist. Foto: © BG RCI
Aktuell helfen beim Nutzen der Szenarien in der Lernfabrik erfahrene Trainer mit menschlicher Intelligenz. Und das wird auch so bleiben. Das KI-Paket soll zusätzlich bei Selbstlernphasen und autarken Präsentationen der Lernwelt die Motivation stärken, spart Trainingszeit in Bezug auf den erfolgreichen Abschluss und mindert den Frust.
Tipps
Wollen Sie selbst Lernerlebnisse gestalten oder gestalten lassen, fordern Sie immer zum interaktiven Handeln auf, verzichten Sie möglichst auf Texteingaben, verwenden Sie spielerische Elemente und nutzen Sie selbsterklärende Interaktionsmöglichkeiten. Denken Sie auch an die im Text erwähnten sechs didaktischen Schritte. Eine plattformunabhängige Entwicklung solcher Anwendungen ermöglicht es zusätzlich, die Inhalte auf unterschiedlichen Endgeräten zu präsentieren.
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