Arbeitsmedizin

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Arbeitsmedizinische Vorsorge ist eine individuelle Arbeitsschutzmaßnahme. Sie verfolgt das Ziel, arbeitsbedingte Gesundheitsbeschwerden frühzeitig zu erkennen und arbeitsbedingte Erkrankungen sowie Berufskrankheiten zu verhüten. Somit leistet sie einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit. Gleichzeitig sollen die aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge gewonnenen Erkenntnisse in die Gefährdungsbeurteilung einfließen und zur Fortentwicklung des betrieblichen Arbeitsschutzes beitragen.

Seit 2008 wird die arbeitsmedizinische Vorsorge bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) geregelt. Sie umfasst ein ärztliches Beratungsgespräch mit Anamnese einschließlich Arbeitsanamnese. Dabei sollen die Beschäftigten umfassend zu den Wechselwirkungen zwischen ihrer Arbeit und ihrer Gesundheit und dem Zusammenspiel verschiedener Einflussfaktoren informiert und beraten werden. Hält der Betriebsarzt körperliche oder klinische Untersuchungen für erforderlich, bietet er sie dem Beschäftigten an. Untersuchungen dürfen nur mit Einverständnis des Beschäftigten erfolgen.

Arbeitsmedizinische Vorsorge unterliegt grundsätzlich der Schweigepflicht. Personenbezogene Ergebnisse und Befunde dürfen nicht an den Arbeitgeber weitergegeben werden.

Arten arbeitsmedizinischer Vorsorge

Es gibt drei Arten arbeitsmedizinischer Vorsorge: Pflichtvorsorge, Angebotsvorsorge und Wunschvorsorge. Während der Gesetzgeber die Tätigkeiten für Pflicht- und Angebotsvorsorge in der ArbMedVV konkret benennt, gibt es für Wunschvorsorge keinen abschließenden Katalog mit Anlässen.

Die Organisation der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist Aufgabe des Unternehmers. Qualifiziert für die Durchführung der Vorsorge sind ausschließlich Fachärztinnen/Fachärzte für Arbeitsmedizin sowie Arztinnen/Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“.

Arbeitsmedizinische Vorsorge darf nicht mit Eignungs- bzw. Tauglichkeitsuntersuchungen verwechselt werden und muss grundsätzlich von diesen getrennt erfolgen.

Liste 1: Pflichtvorsorge –
Tätigkeiten mit bestimmten Gefahrstoffen

Bei Tätigkeiten mit folgenden Stoffen ist Pflichtvorsorge vorgeschrieben, wenn

■ Acrylnitril
■ Alkylquecksilberverbindungen
■ Alveolengängiger Staub (A-Staub)
■ Aromatische Nitro- und Aminoverbindungen
■ Arsen und Arsenverbindungen
■ Asbest
■ Benzol
■ Beryllium
■ Bleitetraethyl und Bleitetramethyl
■ Cadmium und Cadmiumverbindungen
■ Chrom-VI-Verbindungen
■ Dimethylformamid
■ Einatembarer Staub (E-Staub)
■ Fluor und anorganische Fluorverbindungen
■ Glycerintrinitrat und Glykoldinitrat (Nitroglycerin/Nitroglykol)
■ Hartholzstaub
■ Kohlenstoffdisulfid
■ Kohlenmonoxid
■ Methanol
■ Nickel und Nickelverbindungen
■ Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (Pyrolyseprodukte aus organischem Material)
■ weißer Phosphor (Tetraphosphor)
■ Platinverbindungen
■ Quecksilber und anorganische Quecksilberverbindungen
■ Schwefelwasserstoff
■ Silikogener Staub
■ Styrol
■ Tetrachlorethen
■ Toluol
■ Trichlorethen
■ Vinylchlorid
■ Xylol (alle Isomeren)

Liste 1: Pflichtvorsorge –
Sonstige Tätigkeiten mit Gefahrstoffen

Pflichtvorsorge

Pflichtvorsorge

Pflichtvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die der Arbeitgeber bei besonders gefährlichen Tätigkeiten zu veranlassen hat. Diese Tätigkeiten sind im Anhang der ArbMedVV aufgelistet (Vorsorgeanlässe für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen s. Liste 1 und Liste 2 auf den Vorderseiten).
Der Arbeitgeber darf diese Tätigkeiten nur ausüben lassen, wenn zuvor eine Pflichtvorsorge stattgefunden hat. Das bedeutet, dass Beschäftigte faktisch verpflichtet sind, an allen Vorsorgeterminen teilzunehmen – vor Aufnahme der Tätigkeit und danach in regelmäßigen Abständen.

Angebotsvorsorge

Für eine Reihe von Tätigkeiten schreibt die ArbMedVV vor, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten muss. Diese Tätigkeiten sind ebenfalls im Anhang der ArbMedVV geregelt. Für die Mitarbeiter ist die Teilnahme jedoch freiwillig und nicht Voraussetzung für die Tätigkeit. Angebotsvorsorge muss im Vorfeld und anschließend in regelmäßigen Abständen angeboten werden. Selbst wenn die Beschäftigten das Angebot ausschlagen und die Vorsorge nicht wahrnehmen, muss der Arbeitgeber sie ihnen weiterhin regelmäßig anbieten.

Darüber hinaus muss der Arbeitgeber umgehend Vorsorge anbieten, wenn er von der Erkrankung eines Beschäftigten erfährt, die im Zusammenhang mit dessen der Tätigkeit stehen kann. Dies gilt auch für Beschäftigte mit vergleichbaren Tätigkeiten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie ebenfalls gefährdet sein können.

Anlässe zur Angebotsvorsorge bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen

Wunschvorsorge

Wunschvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die der Arbeitgeber den Beschäftigten über den Anhang der ArbMedVV hinaus bei allen Tätigkeiten zu ermöglichen hat. Bei der Wunschvorsorge geht die Initiative vom Beschäftigten selbst aus. Der Arbeitgeber muss den Beschäftigten aber über die Möglichkeit der Vorsorge informieren, etwa im Rahmen einer Unterweisung. Der Anspruch besteht allerdings nicht, wenn aufgrund der Gefährdungsbeurteilung und der getroffenen Schutzmaßnahmen nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen ist. Im Streitfall muss der Arbeitgeber dies beweisen.

Vorsorgebescheinigung

Der Arzt muss dem Beschäftigten und dem Arbeitgeber eine Vorsorgebescheinigung ausstellen. Diese Bescheinigung enthält lediglich Angaben zu Zeitpunkt und Vorsorgeanlass sowie die ärztliche Beurteilung, wann eine weitere arbeitsmedizinische Vorsorge angezeigt ist. Weitere Angaben, zum Beispiel zum Befund oder zu Diagnosen, sind nicht Bestandteil der Vorsorgebescheinigung. Sie unter liegen der umfassenden ärztlichen Schweigepflicht. Rückmeldungen an den Arbeitgeber über unzureichende Maßnahmen des Arbeitsschutzes – und welche Schutzmaßnahmen zusätzlich erforderlich sind – müssen gesondert erfolgen.

Nachgehende Vorsorge

Zwischen einer Tätigkeit mit krebserzeugenden bzw. keimzellmutagenen Gefahrstoffen und dem eventuellen Auftreten einer Berufskrankheit können viele Jahre vergehen. Daher sieht die ArbMedVV zusätzlich zu den Vorsorgen während betrieblicher Tätigkeit auch nachgehende Vorsorgen nach Beendigung einer solchen Tätigkeit vor. Der Arbeitgeber muss sie den betreffenden Beschäftigten anbieten.

Die Anlässe für nachgehende Vorsorge sind im Anhang Teil 1 Absatz 3 der ArbMedVV aufgeführt. Tätigkeiten, bei denen nach längeren Latenzzeiten Gesundheitsstörungen auftreten können, sind z. B.:

Am Ende des Beschäftigungsverhältnisses kann der Unternehmer die Angebotspflicht auf den zuständigen gesetzlichen Unfallversicherungsträger übertragen. Dazu überlässt er ihm – immer mit Einverständnis des Beschäftigten – die erforderlichen Unterlagen in Kopie. Durch den Organisationsdienst für nachgehende Untersuchungen (ODIN) stellen die Unfallversicherungsträger dann sicher, dass dem Betroffenen auch nach Ausscheiden aus dem Beruf bzw. Beendigung der Tätigkeit nachgehende arbeitsmedizinische Vorsorge angeboten wird. (Mehr Informationen dazu unter www.odin.de.)

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