Hautgefährdung und TRGS 401
Tätigkeiten mit Gefahrstoffen dürfen erst aufgenommen werden, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wurde und die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen wurden.
Das ist eine der Grundpflichten der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) für den Arbeitgeber. Dabei soll er Art und Ausmaß der Exposition durch Gefahrstoffe unter Berücksichtigung aller Expositionswege beurteilen sowie Arbeitsplatzgrenzwerte und Biologische Grenzwerte berücksichtigen. Weiterhin fordert die GefStoffV, dass die inhalativen und dermalen Gefährdungen unabhängig voneinander zu beurteilen sind.
Insbesondere bei der Beurteilung der inhalativen Gefährdungen unterstützen die Unfallversicherungsträger seit über 50 Jahren. Im Rahmen des Messsystems Gefährdungsermittlung der UV-Träger (MGU) werden jährlich über 2.500 betriebliche Messungen durchgeführt, aus denen mehr als 100.000 Messwerte ermittelt werden.
Im Laufe der Jahre kamen so fast vier Millionen Datensätze in der Expositionsdatenbank MEGA des Instituts für Arbeitssicherheit der DGUV (IFA) zusammen. Genutzt werden diese Daten z. B. von den UV-Trägern zur Erstellung von Expositionsbeschreibungen und Empfehlungen für die Gefährdungsermittlung. Da diese Hilfestellungen fast ausschließlich auf den Daten von Luftmessungen beruhen, sind in der Regel die Hinweise zur dermalen Gefährdung rar gesät.
Zur Entschuldigung muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass keine präventiven Messmethoden existieren, um einen Hautkontakt zu beurteilen. Bei Luftmessungen an einer Person, kann die Person durch Atemschutz vollständig geschützt werden. Ein stattgefundener Hautkontakt lässt sich dagegen nur im Blut oder Urin einer Person nach der Aufnahme der Gefahrstoffe messen.
In der TRGS 900 werden mittlerweile über 500 Luftgrenzwerte als Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) beschrieben, Biologische Grenzwerte (BGW) werden in der TRGS 903 gelistet, diese enthält bisher aber weniger als 60 Werte. Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge, insbesondere bei der Pflichtvorsorge, werden manchmal Überschreitungen eines BGW festgestellt. Eine derartige Überschreitung ist ein Indiz dafür, dass die getroffenen Schutzmaßnahmen nicht wirksam waren oder die Aufnahme durch einen Hautkontakt nicht beachtet wurde.
Der betroffene Arbeitnehmer wird dann vom Betriebsarzt zu dieser Überschreitung individuell beraten. Der Arbeitgeber erhält mit der Vorsorgebescheinigung nur die Bestätigung, dass eine arbeitsmedizinische Vorsorge durchgeführt wurde. Die festgestellte Grenzwertüberschreitung sowie weitere Angaben (Befunde und Diagnosen) unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht. Auch die UV-Träger erhalten aufgrund der Schweigepflicht keine Informationen.
Hohe Anzahl berufsbedingter Hauterkrankungen
Das fehlende Wissen von Arbeitgebern und UV-Trägern über die konkrete Exposition nach einem Hautkontakt mag ein Grund sein, warum die Gefährdungen durch den Hautkontakt mit Gefahrstoffen häufig unterschätzt werden.
Die Zahlen aus dem Berufskrankheitengeschehen sollten dagegen einen anderen Eindruck vermitteln. Der Hautkontakt mit Gefahrstoffen ist nämlich eine der wichtigen Ursachen von arbeitsbedingten Erkrankungen. So wurde in den jährlichen Unfallverhütungsberichten [1] des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) immer darauf hingewiesen, dass Hauterkrankungen, insbesondere schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen (BK-Nr. 5101), zu den am häufigsten angezeigten Berufskrankheiten gehören.
Erst in den Jahren der COVID-19-Pandemie wurden dann Infektionskrankheiten (BK-Nr. 3101) häufiger angezeigt. Wertet man die Zahlen aus den Unfallverhütungsberichten aus, so wurden in den letzten 20 Jahren (2003 – 2022) mehr als 400.000 Verdachtsanzeigen für Hauterkrankungen (BK-Nr. 5101) gestellt. Diese Anzeigen kommen überwiegend aus den Bereichen Gesundheitswesen, Metallverarbeitung, Lebensmittelherstellung und -verarbeitung sowie dem Baugewerbe und der Gebäudereinigung.
Diese hohen Zahlen machen deutlich, dass es unbedingt erforderlich ist, neben der inhalativen Gefährdung auch einen möglichen Hautkontakt zu beurteilen.
Von den über 500 Stoffen, für die in der TRGS 900 ein AGW genannt wird, trägt etwa ein Drittel den Hinweis „H“, das bedeutet, diese Stoffe sind hautresorptiv. Der Aufnahmeweg Hautkontakt kann also eine wichtige Rolle spielen. Die Frage ist nun, wie kann dieser Hautkontakt im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung bewertet werden?
Aktualisierte Empfehlungen in der TRGS 401
Eine relativ einfache und pragmatische Vorgehensweise wurde schon seit Jahren in der TRGS 401 beschrieben. Neben dem Titel „Gefährdung durch Hautkontakt“ weist schon der Untertitel „Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen“ auf die Ausrichtung dieser Regel hin.
Am 18. November 2022 wurde die neu gefasste TRGS 401 veröffentlicht. Diese Überarbeitung wurde insbesondere notwendig, da am 1. Juni 2017 die letzten Übergangsfristen der europäischen CLP-Verordnung [2] endeten. Diese Verordnung regelt in Europa die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen. Die Kennzeichnung erleichtert die Entscheidung, welche Stoffe als hautgefährdend zu betrachten sind. In der bisherigen Fassung der TRGS 401 wurden die RSätze (vom engl. Risk Statement) zur Erkennung der hautgefährdenden Eigenschaften herangezogen; diese Sätze wurden durch die CLP-Verordnung in neue H-Sätze (vom engl. Hazard Statement) überführt.
Der erste Arbeitsauftrag zur Überarbeitung der TRGS 401 beinhaltete zunächst nur eine redaktionelle Anpassung an diese neue Kennzeichnung. Im Verlauf der Beratungen stellte sich jedoch heraus, dass eine Eins-zueins-Umstellung auf die neuen H-Sätze nicht möglich war. Dazu wurde eine umfassendere Überarbeitung erforderlich, die die Veröffentlichung aber auch verzögerten.
Weitreichender Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich der TRGS 401 ist weitreichend, da sie für alle Tätigkeiten mit Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen gilt, bei denen die Gefährdung durch einen Hautkontakt vorliegt. Eine solche Gefährdung tritt bei Tätigkeiten mit hautgefährdenden oder hautresorptiven Gefahrstoffen sowie bei Feuchtarbeit auf. Die Beschreibung der Hautgefährdung wird durch den Hinweis ergänzt, dass eine Gefährdung auch vorliegen kann, wenn Stoffe nicht als Gefahrstoffe gekennzeichnet sind oder Gefahrstoffe erst bei Verwendung entstehen oder freigesetzt werden, etwa bei Arzneimitteln wie Zytostatika.
Pragmatische Vorgehensweise durch Abschätzungen
Zu Beginn einer Gefährdungsbeurteilung müssen zunächst einige Informationen ermittelt werden. Die neu gefasste TRGS 401 beschreibt daher eine pragmatische Vorgehensweise der Ermittlung in drei Kernschritten:
- Ermittlung stoffbezogener Informationen (Hautgefährdung)
- Ermittlung von tätigkeitsbezogenen Informationen
- Zusammenführung der Ermittlungsergebnisse und Zuordnung zu einer Gefährdungskategorie
Da es keine geeigneten und präventiven Messmethoden zur Beurteilung des Hautkontakts gibt, kann die Beurteilung in den drei Kernschritten nur durch Abschätzungen erfolgen. Diese Informationen sollen dann in dem folgenden Handlungsschritt, der Auswahl der erforderlichen Schutzmaßnahmen, umgesetzt werden.
Schritt 1: Ermittlung der Hautgefährdung
Die Änderungen der CLP-Verordnung führten zu einer Erweiterung des Begriffs „Hautkontakt“: Eine deutlich größere Anzahl von Gefahrstoffen ist nun als hautgefährdend oder hautresorptiv zu betrachten. Die Einschätzung, ob von einem Gefahrstoff Hautgefährdungen ausgehen, erfolgt im Wesentlichen anhand der Gefahrenklassen und -kategorien der CLP-Verordnung, die durch die H-Sätze der Kennzeichnung angegeben werden. Die TRGS 401 enthält in Abschnitt 3.2 eine detaillierte Beschreibung, bei welchen H-Sätzen von einer Gefährdung der Haut, wie z. B. Reizungen, Ätzungen oder Hautsensibilisierungen, ausgegangen
werden muss.
Weitere H-Sätze (Abschnitt 3.2.3) beschreiben hautresorptive Eigenschaften. Der H-Satz H311 gibt beispielsweise den Hinweis „Giftig bei Hautkontakt“. Bei CMR-Stoffen (krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch) muss bei fehlenden Informationen davon ausgegangen werden, dass eine mögliche Hautresorption vorliegt. Dasselbe gilt für Stoffe mit den H-Sätzen H370 bis H 373, die auf eine spezifische Zielorgantoxizität hinweisen.
Benzin für Kraftfahrzeuge (Ottokraftstoff) darf immer noch bis 1 % Benzol enthalten. Benzin an der Tankstelle ist deshalb mit dem H-Satz H350 „Kann Krebs erzeugen“ gekennzeichnet. Bei Hautkontakt ist eine Aufnahme über die Haut (Hautresorption) möglich, ein Risiko besteht beispielsweise durch Verschütten beim Betanken von handgeführten Maschinen aus einem Kanister. Im Baumarkt wird der Ersatzstoff Alkylatbenzin (Sonderkraftstoff) angeboten, hier fehlt die Kennzeichnung H350, da dieser Kraftstoff kein Benzol enthält.
Keine Beurteilung von möglichen Augenschäden
Experten, die sich mit der Kennzeichnung von gefährlichen Stoffen auskennen, könnten kritisch anmerken, dass die H-Sätze H318 bzw. 319 (verursacht schwere Augenschäden/-reizungen) in der TRGS 401 nicht berücksichtigt wurden. Dieses Thema wurde jedoch bei der Erstellung diskutiert. Bei der Überprüfung von vielen Sicherheitsdatenblätter wurde festgestellt, dass diese beiden H-Sätze fast nie isoliert vorkommen.
Wenn eine Hautgefährdung vermutet wird, tragen diese Stoffe und Gemische mindestens die Kennzeichnung H315, wenn nicht sogar H314. Wird ein Arbeitgeber aufgrund der Kennzeichnung H318 oder H319 auf Gefährdungen für die Augen hingewiesen, ist immer ein Augenschutz erforderlich. Gefährdungen für die Haut müssen separat ermittelt werden.
Weitere Eigenschaften
In Abschnitt 3.2.4 der TRGS 401 werden Stoffe behandelt, bei denen die gefährlichen Eigenschaften nicht durch H-Sätze angezeigt werden. Ein Beispiel dafür ist der Carrier-Effekt, bei dem bestimmte Stoffe andere Stoffe in die Haut befördern können. Dimethylsulfoxid (DMSO) ist ein solcher Stoff. Er muss gemäß der CLP-Verordnung nicht als gefährlicher Stoff gekennzeichnet werden. DMSO wird in einigen Salben verwendet, um Schmerzmittel direkt in bestimmte Muskelgruppen zu transportieren. Wenn DMSO jedoch in Abbeizmitteln eingesetzt wird und es zu Hautkontakt kommt, können auch giftige Stoffe, die selbst nicht hautresorptiv sind, leichter aufgenommen werden.
Schritt 2: Ermittlung von tätigkeitsbezogenen Informationen
Nach der Ermittlung der Eigenschaften der verwendeten Stoffe geht es im zweiten Schritt darum, bezogen auf die jeweilige konkrete Tätigkeit Art, Ausmaß und Dauer eines möglichen Hautkontakts abzuschätzen. In Abschnitt 3.3 der TRGS 401 wird zunächst die Art des Hautkontakts betrachtet. Neben dem direkten Kontakt mit einem Gefahrstoff, einschließlich des Kontakts durch Spritzer auf ungeschützte Hautflächen, soll auch der indirekte Kontakt bedacht werden.
Ein indirekter Hautkontakt kann durch verunreinigte Kleidung, durch verunreinigte Schutzausrüstung, insbesondere beim Ablegen der Schutzkleidung, aber auch bei Kontakt mit kontaminierten Arbeitsflächen erfolgen.
Das Ausmaß des Hautkontakts kann nur pragmatisch geschätzt werden. Bei wenigen Spritzern wird dies als kleinflächiger Hautkontakt betrachtet. In anderen Fällen spricht man von großflächigem Hautkontakt. Die Dauer des Hautkontakts wird ebenfalls pragmatisch in nur zwei Kategorien unterteilt. Eine kurzzeitige Einwirkung liegt vor, wenn der Hautkontakt weniger als 15 Minuten pro Arbeitstag beträgt. Eine langzeitige Einwirkung besteht bei mehr als 15 Minuten pro Arbeitstag, einschließlich mehrerer, kurzzeitiger Einwirkungen, die in der Addition diesen Zeitraum übersteigen. Die Dauer des Hautkontakts beginnt mit der Verunreinigung der Haut und endet mit der wirksamen Beseitigung des Gefahrstoffs, z. B. durch Waschen der Haut.
Schritt 3: Zusammenführung der Ermittlungsergebnisse
In Abschnitt 4 der TRGS 401 wird beschrieben, wie sich die bisher ermittelten Informationen zur Gefährdungsbeurteilung in einer Matrix (Tabelle 2: Gefährdungsmatrix der TRGS 401) zusammenführen lassen. Zunächst wird in den Zeilen gesucht, wo die ermittelten hautgefährlichen oder hautresorptiven Eigenschaften genannt sind. Dies erfolgt insbesondere mittels der jeweiligen H-Sätze. In der jeweiligen Zeile erfolgt dann in den weiteren Spalten die Zuordnung zu Dauer und Ausmaß des Hautkontakts. Das Ergebnis ist eine Zuordnung zu einer Gefährdungskategorie. Analog einem Ampelmodell (grün, gelb und rot) gibt es drei Gefährdungskategorien (gering, mittel, hoch).
Handlungsschritt: Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Prinzip
Mit der Zuordnung zu einer Gefährdungskategorie ist die Gefährdungsbeurteilung allerdings längst nicht abgeschlossen. Entscheidend ist nun, dass die richtigen Schutzmaßnahmen festgelegt und umgesetzt werden.
Die systematische Vorgehensweise dazu wird in Abschnitt 5 der TRGS 401 beschrieben. Wurde als Ergebnis der Zuordnung die Gefährdungskategorie „Gering – Grün“ ermittelt, sind allgemeine Hygienemaßnahmen ausreichend. Die allgemeinen Hygienemaßnahmen nach Abschnitt 5.2 Absätze 1 bis 3 sind bei dermaler Gefährdung immer anzuwenden.
Je höher die Gefährdung durch Hautkontakt, desto dringlicher ist die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Prinzip. Die TRGS 401 bietet allerdings nur sehr wenige Hinweise, in welchen Fällen eine Substitution durchgeführt werden kann. Gleiches gilt für technische Schutzmaßnahmen.
In Anhang 5 werden beispielhaft einige technische und organisatorische Schutzmaßnahmen aufgeführt. Da diese Technische Regel allerdings bei allen Tätigkeiten mit Hautkontakt Anwendung finden soll, darf man hier auch keine konkreten Handlungsempfehlungen erwarten. Die Unfallversicherungsträger können in ihren Branchenregelungen und Informationen deutlich zielgenauere Empfehlungen bieten.
Branchen- oder tätigkeitspezifische Handlungsempfehlungen können bei der Gefährdungsbeurteilung sowie bei der folgenden Auswahl der Schutzmaßnahmen unterstützend eingesetzt werden. In Anhang 2 der TRGS 401 werden einige dieser Handlungsempfehlungen aufgeführt. Viele dieser Empfehlungen und Hilfestellungen sind auch über das Portal „Praxishilfen Gefahrstoffe“ [3] des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) abrufbar.
In Abschnitt 5.4 der TRGS 401 werden, ergänzend zu den eher knappen Hinweisein Abschnitt 5.3 zu technischen Schutzmaßnahmen, die grundlegenden organisatorischen Schutzmaßnahmen aufgeführt. Abschnitt 5.5 beschreibt umfassend persönliche Schutzmaßnahmen. Gerade bei Tätigkeiten mit Hautkontakt können oft auch umfangreiche technische Schutzmaßnahmen den Hautkontakt nicht wirksam verhindern. Daher hat dieser Abschnitt eine besondere Bedeutung.
Viele Hinweise betreffen die Auswahl von Schutzhandschuhen, die Benutzung von Chemikalienschutzhandschuhen und anderen flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen sowie von persönlichen Schutzmaßnahmen für andere Hautpartien als die Hände. Weitere Informationen und auch Abbildungen zum An- und Ausziehen von Schutzhandschuhen enthält DGUV Information 212-007 „Chemikalienschutzhandschuhe“ [4]. Diese Schrift soll nach der Veröffentlichung der neuen TRGS 401 zeitnah aktualisiert werden.
Separate Beurteilung von Feuchtarbeit
Nach der Definition der TRGS 401 sind Feuchtarbeit Tätigkeiten,
- bei denen Beschäftigte einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten haben oder
- häufig die Hände waschen oder
- wenn diese Tätigkeiten im Wechsel mit dem Tragen flüssigkeitsdichter Schutzhandschuhe erfolgen.
Feuchtarbeit kann mit den drei Kernschritten der Ermittlung und der zugehörigen Gefährdungsmatrix nicht beurteilt werden. Deshalb beschreibt Abschnitt 3.3.6 mögliche gefährdende Arbeitsbedingungen, die zu Feuchtarbeit führen können. Eine der Kernaussagen dieses Abschnitts ist, dass das ausschließliche Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen keine Feuchtarbeit ist. Diese Aussage beruht auf einer neuen Definition des Begriffs „Feuchtarbeit“.
Diese neue Definition wurde schon vor der Veröffentlichung der TRGS in Fachkreisen heftig diskutiert. Ursprünglich beschrieb der Begriff „Feuchtarbeit“ Arbeiten im feuchten Milieu. Damit sollten Tätigkeiten herausgehoben werden, bei denen bereits Schutzmaßnahmen erforderlich werden.
Feuchtarbeit begann deshalb schon, wenn Beschäftigte einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit, das heißt regelmäßig täglich mehr als circa ein Viertel der Schichtdauer (circa zwei Stunden) mit ihren Händen Arbeiten im feuchten Milieu ausführen. Mit dieser Beschreibung war auch die Empfehlung verbunden, dass diese Beschäftigten arbeitsmedizinisch beraten werden sollten.
2006 wurde diese Definition konkretisiert in die erste Fassung der TRGS 401 übernommen. Zudem enthielt diese Fassung der TRGS erstmals verbindliche Regelungen für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen. So sollten bei Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als zwei Stunden pro Tag Untersuchungen angeboten werden, ab vier Stunden pro Tag waren dann Untersuchungen verpflichtend zu veranlassen.
Falsche Bewertung des Tragens flüssigkeitsdichter Handschuhe
Konkret wurden seit 2006 mit den Begriff „Feuchtarbeit“ Tätigkeiten beschrieben, bei denen die Beschäftigten während eines erheblichen Teils ihrer Arbeitszeit Arbeiten im feuchten Milieu ausführen oder flüssigkeitsdichte Handschuhe tragen oder häufig oder intensiv ihre Hände reinigen. Dabei sollten die Zeiten der Arbeiten im feuchten Milieu und die Zeiten des Tragens flüssigkeitsdichter Handschuhe addiert werden. Denn damals wurde angenommen, dass Arbeiten im feuchten Milieu, Händewaschen und das Feuchtwerden der Haut beim Tragen flüssigkeitsdichter Schutzhandschuhe als biologisch gleichwertige Hautgefährdung zu bewerten sind.
Die Gleichsetzung von Arbeiten im feuchten Milieu mit den Belastungen durch flüssigkeitsdichte Handschuhe führte in der Praxis zu fatalen Fehlbeurteilungen: Feuchtarbeit ist gefährlich – das Tragen von Handschuhen auch. Bei Arbeiten mit Wasserkontakt, beispielsweise bei Reinigungstätigkeiten, wurde daher oft auf das Tragen von Schutzhandschuhen verzichtet.
Neue Erkenntnisse zu Feuchtarbeit
In den darauffolgenden Jahren wurden die Auswirkungen der verschiedenen Hautgefährdungen näher untersucht. Es zeigte sich, dass die Barriereschädigung der Haut durch das Tragen flüssigkeitsdichter Schutzhandschuhe wesentlich geringer ist als der gleich lange direkte Wasserkontakt. Obwohl die Regeneration der Haut durch das Tragen flüssigkeitsdichter Schutzhandschuhe nach einer Vorschädigung der Haut, beispielsweise durch eine Hautreinigung, verzögert ist, überwiegt die schützende Wirkung des Handschuhtragens bei Feuchtarbeit – vor allem, weil wässrige Lösungen in der Praxis meistens neben Wasser weitere Zusätze enthalten, die die irritative Wirkung des Wassers erhöhen.
In weiteren Studien konnte der unklare Begriff „häufiges Händewaschen“ präzisiert werden. Ein erhöhtes Risiko für das Auftreten irritativer Kontaktekzeme ergab sich ab einer Frequenz von 20-mal pro Arbeitstag.
Als die ersten Pläne bekannt wurden, die TRGS 401 entsprechend zu ändern, wurden Befürchtungen geäußert, dass zukünftig deutlich weniger Beschäftigte zur Pflichtvorsorge geschickt würden. Es gab aber auch deutliche Hinweise aus der Praxis, dass schon die bisherigen Formulierungen benutzt wurden, um durch eine sekundengenaue Erfassung der Belastungszeiten zu der Beurteilung zu kommen, dass bei 3,9 Stunden täglicher Feuchtarbeit nur eine Angebotsvorsorge erforderlich sei.
Neue Definition
In der Neufassung der TRGS 401 liegen gefährdende Arbeitsbedingungen durch Feuchtarbeit nun vor, wenn die Beschäftigten tätigkeitsbedingt Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten, z. B. wassergemischten Kühlschmierstoffen, wässrigen Desinfektionsmitteln oder Reinigungsmitteln, von regelmäßig mehr als zwei Stunden pro Arbeitstag haben.
Um der Entstehung irritativer Kontaktekzeme durch häufige Hautreinigung vorzubeugen, wurde die Händereinigung bereits ab einer Waschfrequenz von mindestens 15-mal pro Arbeitstag als Feuchtarbeit definiert. Dabei kann bei Benutzung reibekörperhaltiger Hautreinigungsmittel schon bei niedrigeren Waschfrequenzen Feuchtarbeit vorliegen. Gleiches gilt für die Kombination von Händewaschen und Händedesinfektion im Wechsel mit dem Tragen flüssigkeitsdichter Schutzhandschuhe.
Was gehört zur Feuchtarbeit?
Das ausschließliche Tragen flüssigkeitsdichter Schutzhandschuhe ohne weitere Einwirkungen zählt nicht mehr zur Feuchtarbeit. Da sich die Haut nach dem Tragen von Schutzhandschuhen jedoch langsamer regeneriert, reagiert sie empfindlicher auf nachfolgende irritative Einwirkungen. Das Tragen flüssigkeitsdichter Schutzhandschuhe zählt daher dann zur Feuchtarbeit, wenn eine „Wechselbelastung“ besteht.
Dies ist der Fall, wenn die Beschäftigten flüssigkeitsdichte Schutzhandschuhe tragen und sich mehr als fünfmal pro Arbeitstag die Hände waschen. Feuchtarbeit liegt weiterhin vor, wenn Beschäftigte Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten haben und im häufigen Wechsel flüssigkeitsdichte Schutzhandschuhe tragen (mehr als zehnmal pro Arbeitstag). In Anhang 1 der TRGS werden beispielhaft Berufsgruppen genannt, die unter dieser Wechselbelastung tätig sind.
Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Feuchtarbeit
Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist ein wichtiges Instrument zur Prävention von Hautkrankheiten. Sie umfasst mindestens ein ärztliches Beratungsgespräch mit Anamnese einschließlich Arbeitsanamnese. Über diese Bedingungen hinaus ist eine Pflichtvorsorge zu veranlassen.
Schutzmaßnahmen bei Feuchtarbeit
Wie bei allen Hautgefährdungen sind die allgemeinen Hygienemaßnahmen nach Abschnitt 6.4 der TRGS 500 „Schutzmaßnahmen“ zu beachten. Die Hygienemaßnahmen werden in Abschnitt 5.2 der TRGS 401 kurz zusammengefasst.
Bei Vorliegen von Feuchtarbeit ist eine arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten, wenn
- Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten von regelmäßig mehr als zwei Stunden und weniger als vier Stunden pro Arbeitstag besteht oder
- Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten vorliegt und im häufigen Wechsel flüssigkeitsdichte Schutzhandschuhe (mehr als zehnmal und bis zu 20-mal pro Arbeitstag) getragen werden oder
- die Hände mindestens 15-mal und weniger als 25-mal pro Arbeitstag gewaschen werden oder
- flüssigkeitsdichte Schutzhandschuhe getragen und zwischendurch mehr als fünfmal und bis zu zehnmal pro Arbeitstag die Hände gewaschen werden.
Besonderes Augenmerk in Bezug auf die Vermeidung von Hauterkrankungen wird auf die Hautreinigung gelegt. Die bereitgestellten Hautreinigungsmittel sollten reibekörperfrei sein. Daneben ist die Häufigkeit der Hautreinigung auf das notwendige Maß zu reduzieren.
Stark anhaftende Verschmutzungen sollten beispielsweise durch das Tragen von Schutzhandschuhen vermieden werden. Dürfen keine Schutzhandschuhe getragen werden, sollte zunächst versucht werden, die Verschmutzung mit reibekörperfreien Hautreinigungsmitteln zu entfernen. Dies erfordert zwar längere Waschzeiten, jedoch wird dadurch die Hautbarriere offensichtlich nicht stärker geschädigt.
Wenn die Reinigung mit milden Reinigern nicht möglich ist, können reibekörperhaltige Hautreinigungsmittel benutzt werden. Die Anwendung sollte jedoch möglichst selten, z. B. nur am Ende des Arbeitstags, erfolgen. Auf keinen Fall sollten Bürsten verwendet werden. Weiterhin sind zur Unterstützung der Hautregeneration in der arbeitsfreien Zeit (in Pausen und am Arbeitsende) Hautpflegemittel zu benutzen.
Neben den allgemeinen Hygienemaßnahmen ist bei Vorliegen von Feuchtarbeit zu prüfen, ob durch technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen die Gefährdung durch Feuchtarbeit verringert werden kann.
Schutzhandschuhe haben Vorrang vor Hautschutzmitteln
Bei den persönlichen Schutzmaßnahmen hat der Einsatz von Schutzhandschuhen Vorrang vor der Benutzung von Hautschutzmitteln. Das Haupteinsatzgebiet von Hautschutzmitteln beschränkt sich daher auf Tätigkeiten, bei denen Schutzhandschuhe nicht getragen werden dürfen, z. B. bei Tätigkeiten an Maschinen mit Einzugsgefahr.
Die Anwendung von Hautschutzmitteln unter Schutzhandschuhen ist gewöhnlich nicht erforderlich.
Bei wechselnden Tätigkeiten, die Arbeiten mit und ohne Schutzhandschuhe nach sich ziehen, kann es jedoch notwendig sein, Hautschutzmittel parallel zu Schutzhandschuhen zu benutzen. Dabei ist zu beachten, dass Hautschutzmittel, vor allem fettende, die Schutzwirkung von Chemikalienschutzhandschuhen beeinträchtigen können.
Hautschutzmittel, die zur Erleichterung der Hautreinigung ausgelobt sind, dürfen aufgrund ihres hohen Emulgatoranteils unter Schutzhandschuhen nicht angewendet werden. Grundsätzlich müssen Hautschutzmittel, die sich zur Anwendung unter Schutzhandschuhen eignen, vollständig in die Haut eingezogen sein, bevor die Schutzhandschuhe angezogen werden.
Umsetzung der Schutzmaßnahmen
Die getroffenen Schutzmaßnahmen werden nachfolgend in die Betriebsanweisung aufgenommen und gegebenenfalls in einem Hautschutzplan konkretisiert. Anhand dieser Dokumente sind die Beschäftigten vor Aufnahme der Beschäftigung und danach mindestens einmal jährlich arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogen mündlich zu unterweisen.
Daneben sind die getroffenen Schutzmaßnahmen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Stellt sich heraus, dass die Schutzmaßnahmen nicht ausreichen, ist die Gefährdungsbeurteilung erneut durchzuführen und die Schutzmaßnahmen sind anzupassen.
Zusammenfassung und Ausblick
Die neue TRGS 401 enthält umfangreiche Hinweise und Empfehlungen zum Schutz vor Hautkontakt mit Gefahrstoffen. Obwohl die Schrift auf den ersten Blick etwas unübersichtlich erscheinen mag, lohnt es sich, sie sorgfältig zu lesen und den zusätzlichen Hinweisen in den Anhängen zu folgen. Denn dadurch werden eine pragmatische Beurteilung des Hautkontakts und die richtige Auswahl der Schutzmaßnahmen ermöglicht.
Insbesondere bei der Auswahl der Schutzmaßnahmen bei Feuchtarbeit sollte die Pflichtvorsorge nicht als finanzielle Belastung gesehen werden. Wenn bei einer regelmäßigen Vorsorge keine Auffälligkeiten erkannt werden, müssen die betroffenen Beschäftigen in der Regel nur alle drei Jahre zur Vorsorge. Dieser Zyklus bietet dann einen ausreichenden Schutz, um Hautveränderungen frühzeitig zu erkennen und dann gegebenenfalls gegenzusteuern. Insbesondere schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen haben oft eine lange Vorgeschichte.
Literatur:
- [1] Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Berichtsjahr 2022. Unfallverhütungsbericht Arbeit, 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), 2023
https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Berichte/Suga-2022 - [2] CLP-Verordnung: Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen.
- [3] IFA-Praxishilfen, Portal Praxishilfen: Gefahrstoffe https://www.dguv.de/ifa/praxishilfen/praxishilfen-gefahrstoffe/index.jsp
- [4] DGUV Information 212-007 „Chemikalienschutzhandschuhe“ https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/882